GÖTTINGEN,
27. 11. 04. Fisch des Jahres wurde - nicht unerwartet* -
der Zitteraal. nobelvolt lud deshalb zu einem Wochenend-Symposium
über Elektrofische. Deren "spannendsten"
Vertreter und die oft kuriose Geschichte der elektrischen
Schmerztherapie stellte Dr. Rainer Sabatowski von der Poliklinik
für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin der Universität
Köln vor.
Hier
Auszüge der schönsten Passagen des zweistündigen
Vortrages:
- Im
antiken Mittelmeerraum war es bei der Behandlung von schmerzenden
Gliedern verbreitet, diese in Bottiche zu tauchen, die von
elektrischen Fischen wimmelten. Die Torpedorochen versetzten
den griechischen oder römischen Patienten Stromschläge und
linderten dadurch deren Leiden. In medizinischen Schriften
dieser Zeit werden die Tiere auch zur Behandlung chronischer
Kopfschmerzen empfohlen. Dieser Therapieansatz hielt sich
verblüffenderweise bis hinein ins 19. Jahrhundert, als endlich
Apparaturen zur Bereitstellung von Elektrizität zur Verfügung
standen.
Noch
weitaus stärkere Stromschläge als der Rochen gibt
der Zitteraal ab. Er zählt zur Gattung der Zitterfische.
Der Zitteraal ist jedoch kein Aal, er zählt zu den Messerfischen.
Mit den echten Aalen hat er einen langen zylindrischen Körper
gemein. Seine Afterflosse verläuft fast über den ganzen
Körper und endet an der Schwanzspitze. Rücken-, Schwanz-
und Bauchflosse sind nicht vorhanden. Der breite, gerundete
und abgeflachte Kopf trägt ein mächtiges Maul und kennzeichnet
diesen Fisch von vornherein als Räuber.
Der
Zitteraal lebt in schlammigen und sauerstoffarmen Süßgewässern.
Er ist in der Lage, über der Wasseroberfläche Luft zu schnappen
der er mittels spezieller Blutgefäße in der Mundhöhle Sauerstoff
aufnehmen kann.
Der
größte Teil seines Körper ist mit elektrischen Organen besetzt,
eigentlich umgebildete Muskeln, die hohe Spannungen freisetzen
können. Jedes dieser Organe besteht aus einer großen Zahl
stromerzeugender Elemente, von denen jedes nur eine geringe
Spannung erzeugt, zusammen können sie aber über 700 Volt
/ 1 Ampere / 100 Watt Strom abgeben. Die Organe dienen zum
Fang von Beute und zur Verteidigung. Die Spannung dient
zwar nur dazu kleinere Fische zu töten, ist aber auch in
der Lage, einen Menschen tödlich zu verletzen.
Die
Stromstöße dienen auch zur Orientierung im trüben Wasser,
zur Revierabgrenzung und zum Auffinden von Fortpflanzungspartnern.
Dabei produzieren sie aber nur schwache Schläge, die ein
eventueller Partner im trüben Wasser fühlen kann. Die Fortpflanzung
findet meist zwischen September und Dezember statt. Die
Männchen bauen Nester aus Wasserpflanzen und bewachen die
Eier und später die Larven. Diese sind beim Schlüpfen gerade
mal zehn Zentimeter lang.
- Als
Zugabe las Dr. Sabatowski aus einer Beschreibung von Alexander
von Humboldt über dessen berühmte Südamerika-Expedition
Anfang des 19. Jahrhunderts:
"Die
Furcht vor den Schlägen des Zitteraals ist im Volke so übertrieben,
daß wir in den ersten drei Tagen keinen bekommen konnten.
Unsere Führer brachten Pferde und Maultiere und jagten sie
ins Wasser. Ehe fünf Minuten vergingen, waren zwei Pferde
ertrunken. Der 1,6 Meter lange Aal drängt sich dem Pferde
an den Bauch und gibt ihm einen Schlag. Aber allmählich
nimmt die Hitze des ungleichen Kampfes ab, und die erschöpften
Aale zerstreuen sich. In wenigen Minuten hatten wir fünf
große Aale. Nachdem wir vier Stunden lang an ihnen experimentiert,
empfanden wir bis zum anderen Tage Muskelschwäche, Schmerz
in den Gelenken, allgemeine Übelkeit."
* Die Fische des Jahres
2004
- Zitteraal
2003 - Zitteraal
2002 - Zitteraal
2001 - Zitteraal
2000 - Zitteraal
1999 - Zitteraal
1998 - Zitteraal
1997 - Zitteraal
1996 - Zitteraal
1995 - Zitteraal
1994 - Zitteraal
1993 - Salmonelle*
1991 - Zitteraal
1990 - Zitteraal
1989 - Zitteraal
1988 - Zitteraal
*
Der
Salmonelle wurde einen Tag nach der Wahl der Titel aberkannt,
weil es sich nicht um einen Fisch handelt. Titelträger
wurde stattdessen der zweitplazierte Zitteraal
Linktipps:
-
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Wissenschaft